Würde gerne eine Zeitreise-Talksendung sehen, in der ein Deutscher Sozialist aus dem Widerstand, eine jüdische Guerillakämpferin sowie Mitglieder der polnischen Exilarmee den Vulgärpazifismus einiger Zeitgenossen mal ausführlich auseinandernehmen. Ich meine - den Leuten ist schon klar, dass sie heute nur deshalb in Talkshows frei reden können weil andere mal für Werte wie Demokratie & Menschenrechte zur Waffe gegriffen haben?!
@kattascha Die denken ja auch, dass Gandhi immer recht hatte oder wenigstens der Meinung war, dass seine Strategien immer funktionieren würden.
Wissenschaftlich betrachtet hat Gewaltlosigkeit sogar häufiger versagt als Erfolg gehabt, deswegen greifen ja auch echte Tyrannen die Zivilgesellschaft als ganzes an. Gewaltlosigkeit funktioniert nur in einer Zivilgesellschaft, nicht in einem Krieg eines Unterdrückers gegen ein ganzes Volk.
Zum Beispiel kurz in diesem Aufsatz
https://www.researchgate.net/publication/352357722_The_Limits_of_Gandhian_Non-Violence
Gewaltlose Strategien sind sogar erfolgreicher.
Aber ja, die haben auch ihre Grenzen. Und dazu gehört, dass sie kaum greifen wenn der Angreifer nen Völkermord plant oder dazu bereit ist.
@billiglarper @kattascha Ich denke, das ist eher ein Wunschergebnis, gerade weil dafür ja eine ziemlich vage Definition von Kampagne und erfolgreicher Veränderung verwendet wurde, um ein entsprechendes Dataset zu bekommen.
Das Beispiel Südafrika ist da eben der gute Knackpunkt: Die gewaltlose Lösung entstand ja nicht aus einer geplanten Kampagne, wie sie behauptet, sondern aus der beiderseitigen Angst vor der gewaltsamen Eskalation, da keine Seite die nötigen Mittel hatte.
Weiss jetzt nicht wie ich deinen Einwurf werten soll. "Die gewaltfreie Kampagne zählt nicht, da ne militärische keine Erfolgsaussichten hatte"?
Gibt ja aber auch noch zig andere Beispiele. Wie Solidarnosc in Polen.
Und ja, es spielen da viele Faktoren rein.
@billiglarper @kattascha wie schon gesagt, beim Beispiel Südafrika hatten beide Seiten es zwischendurch mit Gewalt probiert und beide Seiten hatten dabei die Grenzen ihrer Gewalt erfahren. Wären die auch ohne Gewalt zu der gleichen Einsicht erlangt und hätte ohne das Scheitern der Gewalt auf beiden Seiten eine friedliche Lösung derartig viel Rückhalt gefunden?
Das meine ich mit vage. Es betont gewaltlose Teilaspekte zu stark, ohne die vorherige Schaffung der Rahmenbedingungen zu betrachten.
@billiglarper @urwumpe @kattascha es ist nicht gewaltfrei, wenn "die drohende Gewalt" der auslösende Faktor für etwas ist.
Dann gibt es keine gewaltfreien Proteste in Diktaturen, da die ja immer versuchen könnten zur Gewalt zu greifen? Entweder hab ich dich falsch verstanden, oder es überzeugt mich nicht.
@billiglarper @urwumpe @kattascha Nenn mir doch bitte einen erfolgreichen gewaltfreien Protest, bei dem die Gewalt ausübene Diktatur dadurch aufhörte Gewalt auszuüben (während das von ihr angestrebte Ziel noch nicht erreicht ist)
@billiglarper @asltf @kattascha Nun, das ist tatsächlich die klassische These zur Gewaltlosigkeit. Solange die Diktatur in der Lage ist, Medien und Gesellschaft auf Linie zu halten, hat Gewaltlosigkeit keine Chance.
Wenn die Macht der Diktatur durch innere oder äußere Krisen bröckelt, haben Umstürzler eine Chance, aber das gilt dann für gewaltsame und gewaltlose Umstürze. Und die Gewaltsamen werden zumindest früher Erfolge erzielen. Ob auch nachhaltiger kann man diskutieren.
Aber das übersieht doch, dass es gerade Teil einer gewaltfreien Strategie ist, die Pfeiler der Herrschaft eines Regimes anzugreifen?
Eben das, was Solidarnosc in Polen gemacht hat. Oder OTPOR in Serbien. Südkorea 1979 wär da auch so ein Beispiel.
Und es spricht viel dafür, dass ne gewaltfreie Strategie besser geeignet sind gesellschaftlich breite Bündnisse zu schmieden die dann auch die Machtbasis des Regimes erreichen.
@billiglarper @asltf @kattascha Aber was hat denn verhindert, dass die gewaltlosen Proteste dort nicht einfach wie eine Mücke an der Windschutzscheibe zerplatzt wären?
Jedes Regime braucht Menschen die für es die Arbeit machen. Diese Machtbasis ist angreifbar. Letztlich indem man die Menschen überzeugt, dass das Regime a) ein Problem, und b) besiegbar ist. Salopp: Niemand will für den Failed Cause einiger Arschlöcher zum Mörder seiner Verwandten und Freunde werden. Und es ist nicht so, als könnte das Regime ganz ohne Menschen. Deswegen sind Generalstreiks wohl so wirkungsvoll.
Mehr im CANVAS Core Curriculum
https://canvasopedia.org/publications/
Aber das stösst zum Beispiel an Grenzen wenn es ne tiefe ethnische Spaltung gibt, mit viel Angst und Hass, und das Regime ne Machtbasis hat die für den Machterhalt bereit ist über die Leichen des Gros der Bevölkerung zu gehen.
Oder wenn der ausländische Aggressor kein Problem hat ganze Landstriche zu entvölkern.
Aber alles in allem ist das imho ein wichtiges Wissensfeld, und gerade in könnte man da noch viel von anderen Ländern lernen.
@billiglarper @asltf @kattascha ja aber für einen Generalstreik brauchst Du Menschen die mitmachen. Viele Menschen. Am Anfang bist Du aber meistens alleine (bis Du Mitstreiter findest) und der Staat meistens so paranoid, dass er selbst kleine Akte der Rebellion schon hart sanktioniert und das sogar auf die Zustimmung der Mehrheit der Bevölkerung stößt.
Kein Tyrann war je ein Außerirdischer, der ausschließlich über ein ihm fremdes und ablehnendes Volk geherrscht hat.
@billiglarper @asltf @kattascha Ich hätte da noch als Ausnahme über König Leopold II von Belgien nachgedacht, aber sogar er hatte afrikanische Verbündete...